Venom

Die große Welle der Comic-Verfilmungen rollt seit Jahren über unsere Köpfe hinweg und auch wenn ich ihrer inzwischen ein wenig müde bin, wird sich daran nichts ändern. Es gibt kein Jahr mit nicht wenigsten zwei oder drei Comic-Adaptionen. Alleine 2018 waren es bisher fünf und eine Verfilmung steht noch aus – Aquaman.

Besonders Marvel (respektive Disney) scheint die Kuh melken zu wollen, bis kein Tropfen Milch mehr übrig ist. Aber solange die Leute ins Kino gehen, scheinen die Studios alles richtig zu machen.

Zwei Filme ließ ich dieses Jahr aus. Das große Avengers-Finale war ein Must see, ebenso Deadpool, der Antiheld aller Antihelden. Ich mag Antihelden, die nicht so perfekten Menschen mit Ecken und Kanten. Und so warf ich konsequenter Weise auch einen Blick auf den anderen großen Antihelden von Marvel: VENOM

Über die Story

Haben Sie keine Angst! Ich habe nicht vor zu spoilern, die ganze Geschichte des Films zu erzählen. Stark komprimiert geht die Geschichte so:

Das Raumschiff einer bösen Organisation stürzt mit außerirdischen Lebensformen anbord ab. Eine der Lebensformen entkommt, der Rest landet im Labor. Ein erfolgreicher Reporter macht einen beruflichen Fehler, wird gefeuert, versucht, seine Behauptungen zu beweisen, und kommt mit einem Alien in Berührung. Die Bösen versuchen, ihn in die Finger zu bekommen, der Reporter entkommt dank des Aliens, ein weiterer Alien verbindet sich mit dem Chef der bösen Organisation, die Aliens geraten aneinander, der Böse kommt um, der Tag ist gerettet.

Bis hierher klingt alles nicht sehr neu. Es ist der ewige Kampf des Guten gegen das Böse, der seit Jahrzehnten im Kino ausgetragen wird. Aber ich erwartete auch keine Shakespearsche Tragödie. Als Fan von Comics erwartete ich eine comicbuchhafte Story und bekam sie auch. Eine geradlinige Geschichte mit nicht zu komplexen Charakteren.

Aber ich sprach von einem Antihelden. Das eröffnet die Frage, ob es wirklich nur um den Kampf zwischen Gut und Böse geht. Oder ist da vielleicht mehr? Nein, ist es nicht. Aber es könnte…

Die Universen von (Comic-)Bücher sind häufig unterschiedlich, besonders wenn das Kino ins Spiel kommt. Aber das ist das Schöne an einem Multiversum. Verschiedene Universen, verschiedene Ereignisse. Eddie Brock zum Beispiel, der Wirt des Symbionten (oder Parasiten?) Venom lebt in San Francisco. Jedenfalls im Film. Der Eddie Brock, den ich kenne, lebte hingegen in New York – ein Grund, weshalb er und Spider Man immer wieder aneinander gerieten.

Aber das macht nichts. Ich sage nur: Multiversum. Eine andere Erde, ein anderes Zuhause für Eddie. Ist nur eine Stadt. Nur ist da noch Venom selbst. Zwar ist der Symbiont aus den Comics genauso gewalttätig wie der aus dem Film, er ist aber dennoch anders. Als Venom (in den Comics) mit Peter Parker, seinem ersten Wirt, zusammenkam, fing er an, eine Menge zu lernen. Er lernte Gefühle kennen, die der Außerirdische noch nicht kannte. Venom entwickelte eine Persönlichkeit.

Und im Film? Nun… Spoileralarm!

Dem Film-Venom fehlt diese Persönlichkeit. Während der Venom aus den Comic-Vorlagen eine Art Moralcodex hat, aufgrund dessen er keine Unschuldigen verletzt (ich nehme an, das ist Peter Parkers Einfluss), hat die Filmversion diesen Codey nicht. Und dann ist er bereit, sich selbst zu opfern – ein Twist, der fast so plötzlich kommt wie Anakin Skywalkers Hinwendung zur dunklen Seite. Eine Veränderung, die ziemlich vorhersehbar war, denn… Nun ja… Was sonst sollte eigentlich passieren?

Sollte ich den Film also auslassen?

Antiheld ist nicht gleich Antiheld. Während Deadpool alles (sogar das Comic-Heft in dem er selbst auftritt) durch den sprichwörtlichen Kakao zieht, ist Venom – der Comic-Venom – ein eher ernsthafter Zeitgenosse. Aber eine ernsthafte Comic-Verfilmung funktioniert nicht (außer es geht um Wolverine).

Und deshalb nimmt sich auch Venom nicht ganz ernst.

Nein, Venom ist kein Clown. Die Dialoge zwischen Eddie Brock und ihm kommen aber auf ihre Art komisch daher.

Stellen Sie sich vor, Sie blickten in den Spiegel und eine tiefe, donnernde Stimme sagt Ihren Namen. Vielleicht schöben Sie das noch auf Ihre Übermüdung. Stellen Sie sich dann vor, dieselbe Stimme warnte Sie, die Tür nicht zu öffnen. Da Sie es doch tun, übernimmt irgendetwas die Kontrolle über Ihren Körper und schlägt, nachdem die Eindringlinge überwältigt sind, vor, ihnen die Köpfe abzubeißen und zwei Stapel zu errichten – einen Körperstapel und einen Kopfstapel. Spätestens jetzt würde ich meine Zurechnungsfähigkeit anzweifeln.

Venom hat seine eigene Sicht auf die Dinge. Er und seine Art sind Predatoren und Venom agiert als solcher, immer wieder zu Eddie Brocks Missfallen. Dabei handelt Venom vielfach ein bisschen wie ein Kind. Er weiß es nicht besser. Er ist ein Raubtier. Warum soll man also dem Gegner nicht den Kopf abbeißen? Sie können sich vielleicht den Kampf vorstellen, den Eddie mit Venom austrägt, ein Kampf, der von Tom Hardy ausgezeichnet in Szene gesetzt wird. Übertroffen wird er dabei bestenfalls von Woody Harrelson in der Mid-Credit-Szene, die einen kleinen Hinweis auf die mögliche Fortsetzung gibt.

Allein schon Hardys Spiel macht den Film zu einer netten Unterhaltung für den Samstagabend. Harrelsons Kurzauftritt macht dann auch gleich Lust auf Teil 2.

Und die Optik?

Im dritten Jahrtausend zu leben heißt offenbar, mit Kinoerlebnissen voller super duper computeranimierten visuellen Effekten zu leben, bis zu dem Punkt, an dem die Effekte viel zu gut sind um glaubhaft zu wirken. Ofer manchmal so schlecht, dass sie aus einem Computerspiel der 1990er Jahre stammen könnten.

Im cineastischen 21. Jahrhundert zu leben schein gleichbedeutend mit gigantischeren Explosionen, noch phantastischeren Kreaturen und noch viel unglaublicheren Bildern zu sein.

Manchmal vermisse ich die guten alten Zeiten, als die Schauspieler noch Masken statt grüner Anzüge trugen. Die Masken ließen sie glaubhafter aussehen. Sie waren lebendiger und weniger künstlich in ihrer Wirkung.

Dem Publikum eine gestaltwandelnde Kreatur wie Venom zu geben ist allerdings mit CGI einfacher. Und hier beginnen meist die Probleme.

James Cameron sagte einst, die besten Effekte seien die, die man nicht sieht. Das Problem mit Computeranimationen ist, sie zu verstecken, wenn sie auf echte Darsteller treffen. Die künstlichen Bilder passen manchmal nicht so recht ins Bild.

Venom benutzt ganz offensichtlich eine Menge CGI, aber in kleinen Dosen. Man sieht zum Beispiel nie, wie Venom einen Gegner isst. Das senkt einerseits das Rating für die Altersfreigabe, löst aber gleichzeitig das Problem, eine Computeranimation glaubhaft einen Darsteller fressen zu lassen. Und nebenbei: Die Dinge die man nicht sieht, beschäftigen das Gehirn meist am besten.

Venom hat schneller Actionszenen ohne gigantische Explosionen oder ähnliche Lichteffekte. Das hohe Tempo der Action lässt die Computeranimation ein wenig verschwimmen, wodurch sie realistischer wirkt. Die Kreaturen machen nichts, das ihrer Größe und Statur nicht angemessen wäre. Manchmal sind sie sogar einfach aber genial in Rauch und Nebel verborgen, was ihren Raubtiercharakter noch glaubhafter macht. Die wenigen Explosionen haben nicht die Ausmaße, mit denen sie ganz New York (oder in diesem Fall San Francisco) zerstören müssten.

Letztlich wird die schnelle Action auch immer wieder durch längere, eher ruhige Passagen durchbrochen, die nur von der CGI-freien Szenerie und den Akteuren leben und Auge und Geist Zeit zum Luft holfen geben. Gut gemacht, meine ich.

Was ist nun die Quinessenz des Ganzen?

Wenn Sie Kino mit großen Charakteren lieben, lassen Sie Venom vielleicht doch besser sein. Wie die meisten Adaptionen von Comics hat Venom keine große Tiefe in seinen Charakteren. Sind sind vielleicht genauso zweidimensional wie die Comichefte, die als Vorlage dienten. Venom ist keine hohe Kunst.

In diesem Fall warten Sie aber wahrscheinlich ohnehin auf das nächste französische Drama. Nicht dass französische Dramen schlecht wären. Sie sind nur nicht, was Venom ist.

Wenn Sie einfach nur ihr Gehirn ausschalten und entspannen wollen, nehmen Sie sich einen großen Eimer Popcorn, einen großen Softdrink und werfen Sie einen Blick auf Venom. Erwarten Sie keine zu tiefe Story. Setzen Sie sich einfach hin, schauen Sie zu und lächeln Sie ein wenig.

Trotz aller Änderungen gegenüber dem „Original“ (Multiversum, erinnern Sie sich?) ist Venom ein guter Grund, das nächste Kino aufzusuchen, wenn Sie sonst keine Pläne für den Abend haben. Besonders wenn Sie ein Comic-Fan sind (Vergessen Sie in diesem Fall die Multiversumssache nicht!).

Muss der Film für Sie aber einen tieferen Sinn haben, bleiben Sie besser zuhause und lesen ein gutes Buch. Oder reden Sie mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner. Oder spielen Sie Spiele mit Freunden.

Venom ist sicherlich nicht das Must see dieses Herbstes. Aber es ist gutes Popcornkino und sicherlich keine Zeitverschwendung, wenn Sie diesen Film sehen.

Optik:4 out of 5 stars (4,0 / 5)
Story:3 out of 5 stars (3,0 / 5)
Popcornfaktor:4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)
Durchschnitt:3.8 out of 5 stars (3,8 / 5)
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