Alliances: A Trick of Light

Im November 2018 ging eine Ikone von uns: Stan Lee. Die Welt der Comicbuchleser trauerte. Der Meister aber hatte noch eine Überraschung für uns. Er hinterließ ein Buch – Alliances: A Trick Of Light

Die Geschichte

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Teenager. Wenn Sie tatsächlich einer sind, überspringen Sie diesen Punkt einfach.

Was macht ein Teenager heutzutage so? Ich meine den normalen Durchschnittsteenager, der einen Hauch einer… sagen wir kreativen Ader hat. Ein solcher Teenager träumt davon, möglichst viele Follower in sozialen Netzwerken zu haben und am besten eine Menge Geld damit zu verdienen.

Die einen fotografieren zu diesem Zweck täglich ihr Mittagessen (ihr Frühstück, ihr Abendbrot…), ihren neuen Nagellack und ähnliche vollkommen unerhebliche und uninteressante Dinge. Die anderen versuchen es mit Schminktipps auf Youtube.

Cameron Ackerson versucht es mit Videos über unerklärliche Wetterphänomene auf dem Eriesee und brachte es damit immerhin auf 16 Abonnente (eine davon ist seine Mutter). Egal, was er tut, es werden nicht mehr, bis er vom Blitz getroffen wird. Im wörtlichen Sinn. Während eines Live Streams. Ab diesem Augenblick ist er ein Star und die Zahl seiner Follower geht durch die Decke.

Abgesehen von seinem plötzlichen Ruhm hat der Unfall aber zwei weitere Folgen. Cameron trifft das Mädchen seiner Träume und kann plötzlich nur mit der Kraft seiner Gedanken jedes mögliche elektronische Gerät hacken. Er wird der unangefochtene Meister der Onlinespiele, denn er verändert den Code der Spiele so, wie er es möchte. Er wird ein Kämpfer für die Gerechtigkeit. Er wird…

…in etwas reingezogen, das größer ist als die alltäglichen Gemeinheiten von Schülern gegen andere Schüler, größer als menschenverachtende Hetze im Netz. Ja, es ist eine ganze Hausnummer größer als das. Es geht um nicht weniger als das Überleben der Menschheit.

Ein Comicbuch ohne Bilder

Alliances ist ein etwas anderes Lesevergnügen. Das liegt nicht etwa an einer ungewöhnlichen Story oder ungewöhnlichen Charakteren. Im Gegenteil. Tiefgang und Komplexität muss man hier nicht suchen.

Im Grunde erzählt das Buch eine ganz normale Superheldengeschichte mit einem ganz normalen Superhelden, wie wir ihn schon Dutzende Male sahen. Cameron ist der Junge von nebenan, wie Peter Parker. Der Blitzschlag ersetzt den Spinnenbiss und die Kräfte sind eher intellektuell statt physisch.

Es ist keine übermäßig orginelle Story. Auf der einen Seite sind die Guten, auf der anderen Seite das Böse. Dazwischen gibt es noch eine geheimnisvolle Organisation, die eigentlich böse ist aber dann auch wieder nicht. Und am Ende gibt es fast ein Happy End. Fast. Ein bisschen komplizierter ist es schon. Als das Böse besiegt ist, kündigt sich schon dessen restliches Volk an. Ein Cliffhanger, der eines Comicbuches würdig ist.

Das Besondere beginnt mit der Wahl der Zeitform. Alliances wird, von einer Hand voll Rückblenden abgesehen, im Präsens erzählt. Diese insbesondere zusammen mit der auktorialen Perspektive ungewöhnliche Wahl erfordert am Anfang etwas Konzentration beim Lesen.

Die ungewöhliche Wahl gibt dem Buch aber auch etwas sehr Bildhaftes. Zusammen mit der eher unkomplizierten Sprache entsteht der Eindruck eine Comicbuches oder einer Graphic Novel. Nur eben ohne Bilder. Ein Comicbuch ist immer in der Gegenwart. Man sieht auf den Bildern, was genau jetzt geschieht. Im Comic sind nur Flashbacks in der Vergangenheit.

Einzig die Weise, wie die Geschichte vermittelt wird, wird in diesem Buch umgekehrt. Im Comic formen die Bilder die Geschichte. Bei Alliances formt die erzählte Geschichte die Bilder.

Gleichzeitig ist das Buch eine Art Denkmal, das die Genialität Stan Lees konserviert. Nicht nur nimmt die Geschichte in kleinen Details Bezug auf das Werk des Comicgottes. Kein normaler Teenager würde heutzutage den Lärm des Gewitters über ihm mit einer krassen Party vergleichen, die Thor gerade feiert.

Die Genialität Stan Lees wird aber auch genau durch die Wahl des Hier und Jetzt als Zeitpunkt der Erzählung in Stein gemeißelt. Niemand kann eine Geschichte erzählen, die gerade erst geschieht. Niemand außer Stan Lee. Er ist ein Watcher.

Herr We empfiehlt…

…dieses Buch vor allem Fans von Stan Lee, Comicfans, Freunden der Science Fiction, begeisterten Lesern und Fans von Stan Lee.

Alliances: A Trick of Light fügt sich großartig in unsere literarische Popkultur ein. Es ist ein bisschen wie „Ready Player One“. Es ist gar ein wenig wie Otherland oder vielmehr wie eine Art Vorgeschichte (nur deutlich einfacher und weniger komplex als Tad Williams‘ Meisterwerk).

Man merkt dem Buch deutlich an, dass sein Schöpfer aus der Welt der Comics stammt. Die Story ist ziemlich straight und letztlich nicht wirklich neu. Derartiges hat man von Stan Lee schon häufiger gesehen.

Das macht die Geschichte aber nicht weniger spannend. Wenn Stan Lee etwas kann, dann Geschichten erzählen. Wenn man etwas bei diesem Buch nicht tun sollte, ist es, sich sicher zu wähnen. Zwar ist bei Stan Lee nicht jede Figur ständig davon bedroht, den literarischen Tod zu sterben, aber als ich dachte, ich hätte die Story durchblickt, kam ein verdammt unerwarteter Twist. Es war fast, als hätte Darth Vader dem jungen Luke Skywalker gesagt, er sei Lukes Vater.

Und auch diesen Twist und das sich daraus ergebende Chaos löst Stan Lee auf.

Alliances ist kein Klassiker und wird auch keiner. Aber es ist lesenswert und kurzweilig.

Story:4 out of 5 stars (4 / 5)
Schreibstil:4 out of 5 stars (4 / 5)
Lesespaß:4 out of 5 stars (4 / 5)
Durchschnitt:4 out of 5 stars (4 / 5)
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