Oha, können Sie denn auch operieren?

Stellen Sie sich vor, Sie kommen in die Notaufnahme. Eine junge Dame untersucht Sie. Sie eröffnet Ihnen, Sie müssten operiert werden, klärt Sie darüber auf, was auf Sie zukommt, stellt sich als die Ärztin vor, die im Operationssaal das Messer wetzt. Ist das ein Problem für Sie? Ist die Antwort ja, lege ich Ihnen dringend ans Herz, dieses Buch zu lesen. Wenn nicht, dann auch.

Warum sollte ich das Buch lesen?

Natürlich sind Bücher Geschmacksfrage. Ich selbst ziehe beim Lesen die Fiktion der Wirklichkeit vor. Dann wiederum beobachte ich verschieden Ärztinnen und Ärzte auf Twitter und eine dieser Ärztinnen (https://twitter.com/MuellerLiesche) pries ihr perönliches Buch an. Manchmal muss man die gewohnten Gefilde verlassen. Man erlebt Überraschungen.

„Oha, können Sie auch operieren?“ ist der Lebensbericht einer jungen Frau, Ärztin in Fortbildung in der Unfallchirurgie. Sie lebt in einer Männerwelt. Was das heißt, kann sich jeder vorstellen.

Gleichzeitig lebt sie in einer Arbeitswelt, in der Leistung gefordert aber nicht zwingend honoriert wird. Das Gesundheitssystem lässt dies nicht zu. Dr. Lieschen Müller arbeitet in einer Welt langer Dienste, spitzer Ellbogen und großer Vorurteile sowohl bei Kollegen als auch bei Patienten.

Frau Doktor gibt hierbei einen einzigartigen Einblick in das Krankenhausleben. Das der Alltag weder wie bei ER noch wie bei Dr. House ist (von Greys Anatomy will ich gar nicht erst reden), war mir klar. Meine perönlichen Erfahrungen beschränken sich aber auf ein Vierteljahr Dienst in einem Bundeswehrkrankenhaus in einer Zeit, als das Gesundheitssystem grundsätzlich noch anders war.

Genauso einzigartig ist der Blick in das Leben einer berufstätigen Frau, einer Spezialistin. Der Blick in das Leben einer Frau, die sich nicht nur gegen ihre Kollegen behaupten muss sondern die auch von den Menschen, denen sie helfen will wieder und wieder ungläubige Ablehnung erfährt. Von den Sexismen männlicher Patienten fange ich gar nicht erst an.

Die Autorin schreibt dabei mit einer großen Portion Humor und gleichzeitig mit so viel Emotion, dass ich am liebsten immer wieder ins Buch gegriffen und Lieschen Müller einfach mal in den Arm genommen hätte.

Tatsächlich hat das Buch meinen Blick sowohl auf berufstätige Frauen als auch auf die Frauen und Männer im Gesundheitsdienst noch einmal verändert. Vielleicht geht es Ihnen auch so, wenn Sie „Oha, können Sie auch operieren“ lesen.

Und gerade jetzt während der Coronakrise schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe, wenn Sie dieses Buch lesen:

  1. Sie bleiben drin, gehen nicht raus und setzen sich und/oder andere der Gefahr der Ansteckung aus.
  2. Sie wissen, wenn Sie mit dem Lesen fertig sind, auch warum Sie zuhause bleiben. Dass Sie sich der Ansteckung weitgehend entziehen, erleichtert den Ärztinnen und Pflegerinnen und den Ärzten und Pflegern das Leben ungemein. Und deren Leben ist schon kompliziert genug.
Inhalt:5 out of 5 stars (5,0 / 5)
Stil:4 out of 5 stars (4,0 / 5)
Lesespaß:4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)
Durchschnitt:4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)
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