Es ist eine Pentalogie. Vier Worte, die nach einem stilistisch schlechten Anfang anmuten, ich muss sie aber vorausschicken, denn ich könnte in Unkenntnis der folgenden vier Bände der Autorin an der einen oder anderen Stelle Unrecht tun. Was ich heute schreibe, ist eine Momentaufnahme. Alles mag sich ändern, lese ich weiter und tauche tiefer in die Geschichte ein. Nun denn…
Es war der 21. März 2019 und ich weilte auf der Leipziger Buchmesse. Buchmessen sind wunderbare Orte, an denen man Neues hört und Dinge findet, die in den großen Buchhandlungen selten im Regal stehen, Bücher von Kleinverlagen oder gar von Autoren, die ihre Werke im Selbstverlag veröffentlichen. Manchmal sind die Angehörigen der schreibenden Zunft gar selbst und in Person anwesend und der geneigte Besucher kann ein paar Worte mit der Dame oder dem Herrn der spitzen Feder wechseln.
Während ich durch die heiligen Hallen schlenderte kam ich an einem Stand vorbei, an dem in großen und kunstvollen Lettern das Wort ARDEEN stand. Die Autorin selbst stand da, Sigrid Kraft, und pries ihre Bücher an. Es dauerte nicht lange und ich war überzeugt. Es ist stets schwer, Bücher einer Autorin oder eines Autoren zu kaufen, die oder den man nicht kennt. Auf der anderen Seite könnte man etwas verpassen, wenn man nicht hin und wieder den Mut aufbringt, die ausgetretenen Pfade der Große zu verlassen. Also wurden die ersten fünf Bände Ardeens in einem schmucken Schuber gekauft.
Darum geht es
Kategorien und Genres sind nicht immer einfach zu fassen. Ardeen ist eines der Werke, bei denen es keine Zweifel gibt: Fantasy. Gute altmodische Fantasy mit mächtiger Magie, stolzen Recken und kurz huscht auch ein Drachen durch die Seite. Und doch ist Ardeen anders. Ardeen ist nämlich Fantasy ohne doofe Elfen und rauflustige Zwerge. In Ardeen gibt es Menschen und man hat in den Legenden von Drachen gehört. Nur in alten Geschichten, denn in Wirklichkeit sah man seit ungefähr 50 Jahren keines dieser mächtigen Schuppentiere mehr. Die einzigen Drachen – ich meine echte Drachen, hochintelligente magiebegabte Geschöpfe – im Buch tauchen in einer Vision auf. Ihre kleinen Verwandten, die Autorin nennt sie Wyvern, zählen nicht. Sie sind nur Tiere.
Frau Kraft geht dabei so weit, Ardeen als klassische Sword and Sorcery Fantasy zu bezeichnen, eine Einschätzung, die ich so nicht zu teilen vermag. Tatsächlich hat Ardeen zwar einige Eigenschaften, die Schwert und Magie Fantasy ausmachen (das Fehlen der Elfen und Zwerge zum Beispiel). Die klassische Sword and Sorcery verfügt aber im Regelfall über einen “Überhelden” wie Conan oder Kull den Eroberer. Manchmal auch über einen “Überantihelden” wie Karl Edward Wagners Kane. Ardeen lässt diese Person, die in ihren Fähigkeiten über alle anderen Menschen hinausragt, vermissen. Auch spielt das Schwert (bisher) eine eher untergeordnete Rolle und die Magie ist das Maß aller Dinge. Die Magie ist dabei keine simple Hexerei sondern hochangesehene Wissenschaft, organisiert, in gehobenen Lehrstätten vermittelt. Wenn ich ehrlich bin, fällt mir die Einordnung in ein bestimmtes Subgenre eher schwer. Eine Portion Schwert und Magie, ein Esslöffeln High Fantasy, umrühren und mit einer Prise Harry Potter (glücklicherweise ohne fliegende Besen, die Prise Harry Potter findet man vor allem in der Organisation der magischen Bruderschaft und in der Weise, wie im Allgemeinen das magische Wissen vermittelt wird) abschmecken – fertig ist die Welt von Ardeen. Fehlt nur noch die Geschichte.
Und die geht ungefähr so:
Eryn, ein junger Krieger der Fenn, eines naturverbundenen Bergvolkes, kommt über Umwege und eher gegen seinen Willen in die Zivilisation. Alles geschieht im Angesicht seines Todes, denn er steht bereit unterm Galgen, die Schlinge um den Hals, um den Tod zu sterben, die ein Aufrührer und dreckiger Rebell verdient. Wovon der junge Krieger bisher nichts wusste, ist seine magische Begabung, die zum Glück noch rechtzeitig entdeckt wird. Es ist eben von Vorteil, wenn einem das Schicksal (oder die Autorin) gewogen ist.
Der arme Tropf, der sich des verstockten Bergrebellen annehmen muss, heißt Raiden und ist seinerseits
- Prinz von Ardeen
- ein überaus fähiger Hochmagier
- fürchterlich reizbar, wenn es nicht nach seinem Kopf geht
- über alle Maßen von sich überzeugt (meist nicht zu Unrecht)
- nicht für seine Geduld bekannt
- in seinem Benehmen das, was wir im normalen Leben wohl ein Arschloch (bitte entschuldigt meine Ausdrucksweise) nennen würden.
Im Grunde ist das auch schon die ganze Geschichte von “Der Kreis der Magie”.
Erinnert ihr euch an die ersten vier Worte dieses Beitrages? Es ist eine Pentalogie. Eigentlich nicht mehr, es gibt inzwischen weitere Bücher aus der Welt Ardeens. Die ersten fünf ergeben aber, soweit ich las, einen in sich geschlossenen Zyklus. Genau dieser Umstand veranlasst mich, mit meinem Urteil an dieser Stelle vorsichtig zu sein, denn im ersten Band des Werkes passiert beinahe nichts. Die Fenn proben den Aufstand, Eryn wird erwischt und Prinz Raiden aufs Auge gedrückt, der schickt den Jungen in seine Garde und Eryn lernt zaubern – in Ansätzen. Ich glaube, Hermine Granger hatte mehr drauf BEVOR sie nach Hogwarts kam.
Dass der junge Magier nach ewigen Monaten der Ausbildung gerade ein paar Grundlagen beherrscht, ist dabei ein wohltuender Ansatz. Wenn Magie eine hohe Wissenschaft ist, muss sie mühsam studiert werden. Einer der schlimmsten Fauxpas’ in der neuen Star Wars Trilogie ist der Umstand, dass die liebe Rey ohne jegliche Ausbildung ungeheure Fähigkeiten in der Macht an den Tag legt und diese auch noch fast vollendet beherrscht. Nein, wer ein guter Magier werden will (gut im Sinne von Qualität, nicht von Moral), muss lernen, studieren, fleißig sein.
Das große Problem daran, dass Eryn das Zaubern erst lernt, ist der Umstand, dass die Geschichte nicht voran geht. Die Zeit verfliegt und die Story tritt auf der Stelle. Erst auf den letzten ca. 60 Seiten passiert etwas, entbrennt ein Krieg zwischen Ardeen und dem Nachbarn (und der Heimat der Gattin Prinz Raidens) Gelderon. Erst auf diesen 60 Seiten entwickelt sich Ränkespiel, werden Intrigen gesponnen (vielmehr werden sie von Leser unbemerkt die ganze Zeit gesponnen, treten aber jetzt erst ans Licht) und zum ersten Mal gibt es so etwas wie Vorboten dessen, was ich wohl in den nächsten Büchern lesen werden.
Ich will dabei nicht einmal lesen, wie die Pläne geschmiedet werden, das Verderben der Helden angeschoben wird. Andeutungen würden reichen. Wenn des Prinzen Gattin sich auf den letzten 60 Seiten als intrigante Schlange herausstellt, ist dies zu spät. Zumindest sollte sie im Verlauf der Geschichte auftauchen und irgendetwas tun, das eine Grundlage für die Ereignisse am Schluss bildet. Vorboten des Krieges, die der Leser ebenso wenig zu deuten weiß wie die Personen in der Geschichte, sollten sich schon früher in der Geschichte zeigen. Frau Krafts Lösung ist beinahe so etwas wie ein Deus ex machina. Plötzlich geschieht etwas, das helfen soll, die Geschichte im zweiten Band weiterzuspinnen. Vollkommen andeutungslos. Der Prinz mag seine Gattin nicht und vice versa. Das aber reicht nicht, um das Ende vorzubereiten. Dabei gab es Möglichkeiten, das Ende vorzubereiten.
Ich bin zuversichtlich, dass sich in der weiteren Geschichte noch Spannung aufbaut, dass sich im Gesamtwerk das Bild entwickelt. So leid es mir aber tut, für den fehlenden Spannungsbogen muss ich beim ersten Band ein paar Pünktchen abziehen.
Erzählerisch…
…betritt Sigrid Kraft einen durchaus interessanten Pfad.
Die Autorin malt keine Schlachtengemälde, selbst dann nicht, wenn eine Schlacht stattfindet. Sie sucht sich einen Blickwinkel, aus dem man nicht das Blut spritzen und die Köpfe rollen sieht. Man sieht eigentlich gar nichts, man weiß nur, dass es irgendwo ein größeres Zusammentreffen verfeindeter Soldaten gibt und sieht dann das Endergebnis.
Frau Kraft hält sich auch nicht mit der Farbe des Grases am Wegesrand auf. Ein bisschen mehr wäre aber gar nicht schlecht gewesen. Zwar mag die Farbe der Blümchen, die gerade auf der Wiese niedergetrampelt werden, für die Geschichte irrelevant sein, eine einigermaßen detaillierte Beschreibung der Örtlichkeiten hilft aber in bestimmten Situationen, das Handeln und die Bewegung der Personen vor Ort zu verstehen.
Sigrid Kraft konzentriert sich auf die Personen. Ich schreibe mit Absicht Personen und nicht Charaktere, charakterlich entwickelt sich nämlich zunächst auch nicht viel. Eryn lernt und wird sicherer im Umgang mit der Magie. Er passt sich an und fügt sich in seine Situation ein. Die Person entwickelt sich. In einem Rollenspiel würde man sicher sagen, das Level des Charakters habe sich erhöht, in Wirklichkeit entwickelt sich nur die Person und ihre Fähigkeiten.
Nicht anders ist es bei Prinz Raiden. In seinen Fähigkeiten ist nicht viel zu entwickeln. Er ist ganz oben angekommen. Und charakterlich ändert sich auch nichts. Näher als “Dann hast Du wohl doch etwas gelernt” kommt man bei ihm an ein Lob nicht heran.
Leider waren das auch schon alle Personen. Figuren, die sonst noch auftauchen, sind Nebenfiguren. Selbst Eryns erst gehasster und dann gut befreundeter Kamerad bei der Garde des Prinzen, Ravenor, ist zunächst nur eine Nebenfigur. Namentlich benannt und mit einem größeren Anteil an Eryns Geschichte versehen verspricht er aber eine größere Rolle in der gesamten Geschichte einzunehmen. Schließlich ist erst ein Fünftel der Geschichte vorbei.
Insofern ist der Mangel an Charakterentwicklung, den ich zu sehen glaube, auch mit größter Vorsicht zu genießen. Ich erwähnte bereits am Anfang, dass ich der Autorin in der einen oder anderen Sache Unrecht tun könnte, was nicht in meiner Absicht liegt. Der Ansatz zur Entwicklung und Ausgestaltung der Charaktere ist da. Es fehlen nur noch vier Bücher, um diese Entwicklung auch zu vollziehen.
Eine Frage des Stils
Wie in der Fantasy üblich steht der Erzähler außerhalb der Geschichte, Genrestandard quasi. Es gibt aber auch nicht viele Ausnahmen hiervon. Mir fällt auf Anhieb höchstens der Schwerttänzerzyklus ein und bin selbst dabei nicht ganz sicher. Frau Kraft benutzt hier einerseits Point of View Charaktere – bis auf wenige Ausnahmen genau 2, Eryn und Raiden – und innere Monologe, lässt uns der innersten Gedanken der Personen teilhaftig werden. Das findet man deutlich seltener.
Bis hierhin ist alles gut. Insgesamt aber nicht. Nein, Frau Kraft hat einige grobe sprachliche Schnitzer eingebaut, klein genug, um trotzdem weiterzulesen, groß genug um mich auch hier zu einem Punktabzug zu bewegen.
Dass die Geschichte in einem eher lockeren Ton gehalten ist, ist in Ordnung. Gerade das gesprochen und noch mehr das gedachte Wort ist auf diese Weise durchaus passend gestaltet, wäre nicht die förmliche Rede in demselben Stil gehalten. Speziell wenn seine Hochwohlgeborenheit Prinz Raiden sich über einen Untergebenen aufregt (mit Recht natürlich, er ist der Prinz), ist der flappsige Sprachstil eher fehl am Platze.
Ebenso auffällig und nicht ganz passend ist die Frage der Anrede. Vielleicht denke ich zu konservativ. In einer Fantasygeschichte aber, die im Setting eher mittelalterlich ist, gibt es genau zwei Formen der persönlichen Anrede: Du und Ihr. Vielleicht noch er/sie. Auf keinen Fall aber Sie.
Der Höhergestellte, ob Prinz, König, Kommandant oder hochadlige Dame, ist natürlich höflich in der zweiten Person Plural anzureden. Der adlige Offizier wird vermutlich selbst vom Vorgesetzten geihrzt. Die Form muss schon gewahrt bleiben Der kleine Mann wird geduzt. Oder geerzt. “Geh er aus dem Weg!”, klingt doch interessant.
Das moderne Sie, welches wir in unserer Alttagssprache gegenüber fremden Erwachsenen benutzen, mutet aber selbst im militärischen Kontext fehl an.
Doch ist dies Kleinkram. Schlimmer sind reinrassige Stilblüten, die es irgendwie geschafft haben, das Lektorat zu überstehen. Stilblüten, die manchmal nicht nur schlechter Stil sondern sogar falsche Sprache sind.
“Aber auch das erfrischend kühle Wasser des Bergsees war nicht der Grund, weswegen er diesen Ort aufsuchte – sondern ihretwegen.”
Ich will um Gottes Willen nicht den Klugscheißer spielen, liebe Frau Kraft, aber auch wenn Eryn ihretwegen zum See ging, war ihretwegen dennoch nicht der Grund für sein Erscheinen. Der Grund war SIE. Entweder verlegt man sich aufs “wegen” (er war nicht wegen des Wassers da sondern ihretwegen) oder man nennt den Grund (nicht das Wasser war der Grund sondern sie).
Und der Bindestrich ist auch nicht ganz sauber. Es mag sein, dass der Bindestrich gar nicht beabsichtigt sondern ein Problem im Satz (im Drucksatz) ist, hinter “aufsuchte” gehört aber ein Komma und der Bindestrich muss weg. “Sondern” ist eine Konjunktion und im Satzteil “sondern ihretwegen” gibt es kein finites Verb. Jene zwei Wörter sind also Teil des Hauptsatzes, der vom (eingeschobenen) Nebensatz “weswegen er diesen Ort aufsuchte” durch Kommas zu trennen ist.
Verdammt! Jetzt habe ich es doch getan! Ich habe den Klugscheißer gespielt.
Apropos: “So trennten sich ihre Wege engültig, obwohl sie doch so erpicht darauf gewesen waren, einander zu finden… Wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen.”
Wenn ich nun schon einmal den Klugscheißer rauskehrte, kann ich solche Sätze kommentieren. “Wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen” ist kein Satz. Es fehlt das Prädikat, das finite Verb. Ein Subjekt ist auch nicht vorhanden. Warum fängt man hier einen neuen Satz an, statt beides wieder mit einem Komma zu einem Satz zu verbinden?
Solche stilistischen Fauxpas’ ziehen sich leider durch das ganze Buch. Irgendwann überliest man es zwar einfach, ich glaube aber, Frau Kraft kann das besser.
Eine Empfehlung ist Ardeen allemal. Band 2 ist bereits aus dem Schuber geholt, um gleich morgen angefangen zu werden. Trotz all der Schwächen verspricht aus der Geschichte etwas Großes zu werden.
Also kauft die Bücher!
Story: | (3.6 / 5) |
Stil: | (3.0 / 5) |
Spannung: | (3.6 / 5) |
Average: | (3.4 / 5) |