Bohemian Rhapsody

Es war im November 1991. Ich hatte Spätschicht und schaute noch Fernsehen, bevor ich zur Arbeit ging. Breaking News (auch wenn man es in Deutschland damals noch nicht so nannte): Freddie Mercury ist tot.

Ich nickte zu der Nachricht. Wer ist doch dieser Freddie Mercury gleich? Der Sänger von Queen. Ah, ich hatte von denen gehört. Dann begann ich Queens Musik zu hören und wurde ein Fan. Ein großer Fan. Zu spät.

Nunmehr ist es 27 Jahre später und ich bin 27 Jahre älter. Aber ich liebe immer noch den Bass John Deacons, die Drums Roger Taylors, die Gitarre Brian Mays (einer der größten Gitarristen der Welt neben Santana und Jimi Hendrix) und natürlich Freddie Mercurys fabelhafte Stimme. Ich hatte also keine Wahl als das Bio Pic des Jahres zu schauen – Bohemian Rhapsody.

Ich bin nicht sicher, zu welchem Zwecke der Film gemacht wurde. Um Freddie Mercury ein Denkmal zu setzen? Das ist unnötig, denn Freddie hat sich dieses Denkmal selbst gesetzt. Um seine Geschichte zu erzählen? Das wäre meine Intention gewesen, wäre ich in die Produktion des Filmes involviert gewesen, denn diese Geschichte muss erzählt werden.

Das Kino von heute ist voller Spektakel. Bohemian Rhapsody ist keine Ausnahme. Und doch ist es anders, denn das Spektakel entstammt keinen oppulenten CGI-Effekten. Dieses Spektakel ist größer als alle CGIs, die die nächsten 100 Jahre bringen können, denn es kommt von:

1. Einer herzerwärmenden Geschichte

Ich bezweifelte nie, dass ein Rockstar sein Paket zu tragen hat. Ein Leben zwischen Studio und Tour, immer 110% gebend, brennt jeden irgendwann aus.

Ich wundere mich deshalb nicht, dass nicht wenige dieser Stars wilde Partys feiern, zu viel Alkohol trinken – all dies. Wir sind nur einfache Sterbliche, nicht jene Götter denen wir zuhören, denen wir auf Konzerten huldigen. Und wir einfachen Sterblichen sehen meist nur den Glamour. Wir sehen oft nicht die Frau oder den Mann hinter dem Star und können bestenfalls erraten, was es heißt, ein Rockstar zu sein.

Bohemian Rhapsody erzählt die Geschichte des Menschen Freddie Mercury. Es ist die Geschichte der Konflikt zwischen ihm und seinem Vater, seiner Band und vor allem ihm selbst.

In der Öffentlichkeit war Freddie eine bunte Persönlichkeit. Aber heute sah ich – exzellent dargestellt von Rami Malek – einen sehr einsamen Mann. Einen einsamen Mann, der seine Einsamkeit durch all seine Partys zu überspielen suchte, der schließlich Frieden fand, als es zu spät war, als er wusste, dass er sterben würde, in dem Moment, als er merkte, wie wenig Zeit ihm noch blieb und dass seine Einsamkeit sein eigener Fehler war, weil er seine wirklichen Freunde nicht erkannte und schlecht behandelte.

Natürlich blieb Freddies HIV-Infektion nicht außen vor. Wie auch? Aber sie wurde so behandelt, wie Freddie es wohl gewollt hätte. Er wollte nie das Opfer der Krankheit sein. So endete der Film mit dem triumphalen Comeback Queens beim Live Aid Konzert. Ich gebe zu, dass ich meine Tränen verdrücken musste. Es war kein Mitleid mit Freddie. Aber ihn und die Band vor der Menge in Wembley zu sehen, war ein zu emotionaler Moment um ruhig zu bleiben.

2. Einem Großartigem Schauspiel

Ob Freddie Mercury, Brian May, Roger Taylor oder John Deacon – was ich auf der Leinwand sah, war niemand anderes als Queen.

Kennt ihr diese Augenblicke, in denen ihr glaubt, einen Schauspieler zu kennen, aber nicht darauf kommt, woher? Die Augenblicke, in denen ihr die Schauspieler auf der Leinwand nicht erkennt aber wisst, dass ihr sie erkennen müsstet? Ich wusste, dass ich Rami Malek schon einmal gesehen hatte und ich wusste, dass ich Gwilym Lee, der Brian May spielt, irgendwoher kannte. Inzwischen las ich, dass Malek den Ahkmenrah in „Nachts im Museum“ spielte und ich Lee als DS Nelson aus „Inspector Barnaby“ kenne und in demselben Moment als ich dies las, ging ein „Ah, der ist das!“ durch meinen Kopf. Und wenn jemand so anders ist, dass ich ihn nicht erkenne, muss er alles richtig gemacht haben. Oder er ist nicht berühmt genug. Aber hier haben die Schauspieler alles richtig gemacht.

Welche Rollen immer sie in der Vergangenheit spielten, „Bohemian Rhapsody“ ist ihr Meisterstück. Jede einzelne kleine Bewegung war Queen. Rami Maleks Freddie Mercury war die Diva, die wir alle kennen, der energiegeladene Performer, den wir alle auf der Bühne und in Videoclips sahen, aber auch der traurige, einsame Mann, um den man den Arm legen möchte, um ihn wie einen Freund zu trösten. Als ich meine Tränen zurückhalten musste, waren es Tränen der Bewunderung für den Mut des Mannes, den ich auf der Leinwand sah.

Gwilym Lee spielte die Gitarre exakt so wie Brian May. Er stand exakt wie Brian May auf der Bühne. Am Schlagzeug saß niemand anderes als Roger Taylor. Aber natürlich reicht es nicht, einfach eine Person nachzuahmen und genau das taten die Schauspieler auch nicht. In jeder Szene fühlte man, was die Personen im Film fühlten. Sei es die Traurigkeit in Freddies Augen oder Rogers Ärger, weil Freddie mal wieder zu spät war oder die Band sein Lied „I’m in love with my car“ nicht mochte… All diese kleinen Emotionen, die eine bestimmte Person ausmachen. In keinem Augenblick sah ich nur einen Film. Ich sah die Menschen. Ich sah die Band. Ich sah Queen.

Ich glaube allerdings nicht, dass einer der Darsteller einen OSCAR gewinnen wird. Die Jungs waren zu gut für den Academy Award.

3. Der Musik

Es ist ein Film über Queen. Ein Film über die vielleicht beste und legendärste Band aller Zeiten. Die Beatles? Die Stone? Pah! Wer zum Kuckuck sind die? Gut, die Stones mögen ein paar Jahre länger auf der Bühne sein als Queen es waren. Aber Queen hatte Freddie Mercury und alle Rolling Stones zusammen kommen nicht an Freddie heran.

Da es ein Film über Queen ist, ist der Soundtrack natürlich voll mit Queens Song. Es kann natürlich nicht Rami Maleks eigene Stimme gewesen sein, die im Film zu hören war. Es gibt keine Stimme, die mit Freddies vergleichbar wäre.Es muss Freddies originale Stimme gewesen sein. Glaube ich.

Rami Malek, las ich, sang während der Dreharbeiten tatsächlich selbst. In der Postproduction wurden dann aber Soundalikes und teilweise Originalaufnahmen benutzt.

Aber wie auch immer es gemacht wurde, ich fühlte in das Wembley Stadion im Jahr 1992 zurückversetzt (auch wenn ich das alles nur im Fernsehen sah). Ja, ich spreche von dem Gedenkkonzert.

Wenngleich die Musik selbst einfach nur großartig ist, erhielten manche Lieder einen völlig neuen Sinn für mich, selbst wenn man beachtet, dass der Film nicht unbedingt in allem „historisch“ korrekt ist. „Who wants to live forever“, obschon von Brian May geschrieben, obgleich nur Teil des Soundtracks zu „Highlander“, erhielt einen ganz neuen Aspekt, als das Lied in „Bohemian Rhapsody“ im Zusammenhang mit den tragischen Ereignissen auftauchte, als Freddie erfuhr, dass er AIDS hat.

Und ein wirklich cooler Anfang war die von Brian May gespielte FOX-Fanfare.

Selbst die nicht vor so tragischem Hintergrund benutzten Songs waren einfach ein riesiges Spektakel. Allein die Musik ist es wert, sich den Film anzuschauen.

Der Film ist, wie ich schon sagte, nicht immer allzu akurat, wenn es um Tatsachen geht. Einige Dinge sind einfach Hollywood. Das „Comeback“ der Band bei Live Aid war in Wirklichkeit kein Comeback. Die Band hatte sich nie getrennt. Roger Taylor und Brian May hatten im Gegensatz zu dem im Film behaupteten ihre eigenen Soloprojekte – bevor Freddie sein Soloalbum produzierte. Insofern war das Freddie Mercury Album wohl auch kein Grund für Diskussionen. Und anders als im Film dargestellt erfuhr Freddie Mercury erst nach Live Aid von seiner AIDS-Erkrankung, nicht davor.

Aber all das macht den Film nicht weniger gut. Ich bin sicher und war es immer auch ohne den Film, dass Freddie Mercury ein getriebener Mensch war. Rami Maleks Darstellung setzte Freddie ein Denkmal. Es wäre nicht notwendig gewesen, das sagte ich bereits. Und doch errichteten alle Mitwirkenden am Film dieses Denkmal. Für Freddie und für Queen.

„Bohemian Rhapsody“ ist daher ein absolutes Must see für alle Queen-Fans und ein Sollte man nicht verpassen für den Rest der Welt. Es ist mein persönlicher Film des Jahres 2018.

Schauspiel:5 out of 5 stars (5 / 5)
Musik:5 out of 5 stars (5 / 5)
Gefühl:5 out of 5 stars (5 / 5)
Durchschnitt:5 out of 5 stars (5 / 5)

Eigentlich müssten es 6 von 5 Sternen sein. Aber das lässt die Mathematik nicht zu. Deshalb ist Musik auch besser als Mathematik. In der Musik ist alles möglich.

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