American Gods

Es gibt viele Wege, ein Buch auszuwählen. Man kann sich auf Empfehlungen von Freunden verlassen. Man kann Rezensionen folgen. Der Königsweg ist der Gang in eine Buchhandlung, um in den Büchern zu stöbern, kurz darin zu lesen oder sich einfach vom Cover überzeugen zu lassen. Oder man kauft das Buch zu einem Film – oder auch zu einer TV-Serie.

Als ich American Gods 2017 auf einem der große Streamingportale erblickte, war ich mir nicht gewahr, dass es hierfür eine Vorlage gab. „Noch eine Fantasy-Serie“, dachte ich. Da ich dieses Genre liebe und viel für Mythologie und Götter übrig habe, war es klar, dass ich die Serie sehen würde, und als ich las, dass die Vorlage von Neil Gaiman ist, stand auch fest, dass das Buch in meinem Regal landen würde. Es dauerte nur 2 Jahre. Ich war schneller als die Erbauer des Berliner Flughafens.

Über Götter

„Amerikanische Götter“ – darüber verspricht der Autor im Buchtitel zu schreiben. Doch so allgegenwärtig Götter auch heutzutage noch sind, bleibt die Frage ob es überhaupt amerikanische Götter gibt. Die alten Mayas und Inkas und Azteken hatten sicherlich Götter, in Nordamerika aber halte ich dies für eher unsicher. So wundert es auch wenig, dass es die alten Götter Europas, Afrikas und Asiens sind, die die Geschichte beherrschen, Götter, die über Jahrtausende nach Nordamerika „eingeschleppt“ wurden und in Vergessenheit gerieten. Götter, deren man sich nur noch in Geschichten entsinnt und die letztlich von den „neuen Götter“ mehr und mehr abgelöst werden, von den Göttern der Unterhaltung, des Geldes und des Konsums. Letztlich, so steht es im Buch (wenn auch nicht wörtlich), wurden nicht die Menschen von den Göttern erschaffen sondern die Götter von den Menschen.

In der Tat scheint es mir logisch. Die Menschen beteten zu einem gewissen Odin und brachten ihm Opfer und allein hierdurch entstand Odin überhaupt erst. Wenn Leif, Sohn des Erik dann nach Neufundland kam, brachte er seine Götter mit. Ihnen wurde gehuldigt und geopfert und natürlich blieb etwas von ihnen in der neuen Welt. Als Columbus 1492 Amerika (erneut) entdeckte, brachte er seinen christlichen Gott mit und dieser Gott wandelt bis heute durch Texas. Und wie damals, als die Götter entstanden, definieren die Menschen auch heute noch, was Gott gutheißt und was nicht, unterstellen ein Gottesgnadentum für den Präsidenten, ob Gott das nun will oder nicht.

So ist es nur allzu logisch, dass alle Menschen, die je nach Amerika kamen, ihre eigenen Götter mitbrachten. Die Inder nahmen Ganesha ebenso mit wie Khali. Sklaven aus Afrika hatten ihre Götter genauso im Schlepptau. Wenn man über Götter schreibt, so scheint es, ist Neil Gaimans Ansatz der einzig richtige. Wo sonst sollten all die alten und mächtigen Wesen aufeinander treffen wenn nicht in Amerika, einem Land und Kontinent, das (bzw. der) wie kein anderer Ort der Welt von Einwanderern und deren Kulturen geprägt wurde. Sollten sie die alten Götter hier in Deutschland treffen? In Italien? In der Schweiz, China oder Russland? Nein, Amerika ist der einzig neutrale Boden.

Wie nun zeichnet man einen solchen neutralen Ort? Mr. Gaiman versammelt jeden, der Rang und Namen hat, und solche, die ich bisher nicht kannte. Weder Czernobog noch die drei Zoryas waren mir bis dato zu Ohren gekommen, doch sind sie keineswegs Erfindungen des Autors. Sowohl der schwarze Gott als auch die Himmelsgöttinnen existieren in der slawischen Mythologie. Einzig die Geschichte, wie sie nach Amerika kamen entspringt des Schriftstellers Fantasie. Dabei erzählt Neil Gaiman die Geschichten geschickterweise nicht selbst. Thot, der Schreiber der ägyptischen Götter, übernimmt die Aufgabe. Viel mehr tut der Ibisköpfige dann aber auch nicht.

Überhaupt spielen die Götter keine wahrhaft große Rolle. In erster Linie ist die Geschichte eine Art Road Movie in dessen Zentrum Shadow Moon steht, ein einfacher Mann, gerade aus dem Knast entlassen, der einen Job annimmt, welcher ihn direkt in den Malstrom des Krieges zwischen alten und neuen Göttern führt. Wird er wohl den Tag retten?

Über das Erzählen

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber bei mir stellen sich stets gewisse Erwartungen ein, wenn ich ein Buch lese, zu dem ich einen Film oder eine Serie kenne. Ich habe keine Ahnung, warum das immer wieder so ist, denn im Allgemeinen werden diese Erwartungen nicht erfüllt. Sie werden nicht enttäuscht, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Aber jedesmal erwarte ich wider besseres Wissen, dass sich die Geschichte so liest, wie das filmische Pendant aussieht.

American Gods ist kein Action Blockbuster. Nicht im Fernsehen und erst recht nicht als Buch. Im Gegenteil wird die Geschichte von Shadow Moon in einem angenehm ruhigen Ton erzählt. Selbst eine Kneipenschlägerei gerät trotz blauer Augen und zertrümmerten Inventars nicht wirklich aus den Fugen. Die Story folgt Shadow von einem Ort zum nächsten und der Leser tappt genauso im Dunkeln über Mr. Wednesdays Pläne wie dessen Angestellter.

Die Geschichte der amerikanischen Götter ist die Geschichte eines Mannes auf der Flucht. Shadow hetzt dabei nicht durch die Staaten. Er wird hierher geschickt, dorthin gebracht und hin und wieder setzt der Autor einen dramatischen Akzent, indem er den Helden in die Hände der Bösen fallen lässt den Arm des Gesetzes auf ihn hetzt. Neil Gaiman verspricht dabei im Vorwort, keinen Ort zu beschreiben, den er nicht selbst besucht hat und tatsächlich kann man die einzelnen Ort der Geschichte auf üblichen Kartendiensten recherchieren – das House on the Rock zum Beispiel.

Mit all den Pausen (nicht trotz all den Pausen), die Shadow Moon auf seiner Reise macht, baut der Autor Stück für Stück Spannung auf. Ist man einmal im Buch drin, kommt man nicht wieder raus, bis die Geschichte ihr… sagen wir überraschendes Ende findet, ein überraschend einfaches Ende. Trotzdem passt die Auflösung und erklärt mit einem Schlag alles, was auf den ersten 572 Seiten geschieht.

All das geschieht in einfachen Worten. Neil Gaiman benutzt keine komplizierten Satzkonstrukte, keine abgehobene Rede. Gaiman vermeidet allzu detaillierte Beschreibungen von Orten, ergeht sich nicht in der Beschreibung der einzelnen Grashalme einer Wiese. Auf diese kommt man schnell durch das Buch. Die Story lässt einen nicht los und die unkomplizierte Schreibweise führt den Leser gut zum Ende.

Story:4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)
Schreibstil:4 out of 5 stars (4,0 / 5)
Lesespaß:4 out of 5 stars (4,0 / 5)
Durchschnitt:4.2 out of 5 stars (4,2 / 5)
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