Seit Jahren werden die Kinos von Sequels, Prequels, Spinoffs und Reboots überflutet. Das kann in manchen Fällen funktionieren und tut es in anderen absolut nicht. Das Sequel (und gleichzeitig Prequel) dieses Herbstes heißt „Phantastische Tierwesen 2 – Grindelwalds Verbrechen“.
Da der erste „Phantastische Tierwesen“-Film mit einem klassischen Cliffhanger endete (was im modernen Hollywood eigentlich nichts heißt), war es keine Frage, dass ich den 2. Teil auch sehe, sei es auch nur, um zu sehen, ob das Sequel des Prequels funktioniert oder nicht. Und ich muss sagen… Nun…
Aber seid zunächst gewarnt, meine Freunde! Diese Rezension könnte ein paar kleine Spoiler enthalten. Wenn ihr euch also wirklich überraschen lassen wollt, lest ihr vielleicht besser nicht weiter.
Was bisher geschah
Wie ich bereits sagte, endete der erste Film mit einem Cliffhanger. Der Protagonist Newt Scamander, der eigentlich nur einen Donnervogel in seine Heimat bringen wollte, wurde in die Jagd nach einem Obscurus, einem dunklen magischen Wesen, das in Hexen und Zauberern wie ein dunkler magischer Krebs wächst, verwickelt. Ich mag das Konzept des Obscurus missverstehen, aber das Bild des Krebses erscheint mir sehr passend.
Da das Buch „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ keine eigentliche Geschichte erzählt sondern eher eine fiktionale Enzyklopädie, wunderte ich mich ein wenig, was das wohl für ein Film sein sollte. Ein fiktiver „Reisebericht“ darüber, wie Newt Scamander jene magischen Geschöpfe sucht? Etwas in der Art von „Serengeti darf nicht sterben“ oder Disneys „Die Wüste lebt“? Sehr unwahrscheinlich. Aber es wäre ein interessantes Konzept gewesen. Wir alle (zumindest die, die wir den Film sahen) wissen, dass es weniger um die Tierwesen selbst ging als vielmehr um „Die Abenteuer des Newt Scamander“. Und am Ende wird es mit der Enthüllung, dass der Bösewicht niemand anderes als der gefürchtetste Schwarzmagier aller Zeit neben Voldemord ist, zum Anfang des „Grindelwald-Zyklus“.
Und dann war da noch Credence Barebone, ein junger Mann, der für einen Squib (jemanden von magischer Abstammung ohne magische Fähigkeiten) gehalten wird, der sich aber als der gesuchte Obscurial, als der Träger des Obscurus‘ herausstellt. Gellert Grindelwald sucht ihn offensichtlich, um sich den Obscurus für seine dunklen Machenschaften zunutze zu machen, Newt sucht ihn, um zunächst den Welt und letztlich den Credence selbst zu beschützen. Der junge Mann bleibt über den ganzen Film hinweg ein Mysterium. Er blieb Credence Barebone, über seine Herkunft wird nicht verraten. Natürlich konnte es eine solche Enthüllung nicht geben. Dies musste Teil der späteren Geschichte bleiben. Tatsächlich könnte es Teil der gesamten Storyline sein, das Geheimnis zu lüften. Er könnte ein Auserwählter sein, vielleicht gar ein Vorfahre Harry Potters (obgleich das ziemlich lahm wäre, oder?) oder auch niemand Besonderes sein, so wie Rey in Star Wars niemand Besonderes zu sein scheint (sieht man von ihren Machtfähigkeiten ab). Die Macher bewahrten das Geheimnis und das war in Ordnung.
Warum erzähle ich das alles? Weil es wichtig ist. Ihr werdet die Geschichte, die in „Grindelwalds Verbrechen“ erzählt wird, nicht komplett verstehen, wenn ihr den ersten Teil nicht gesehen habt (oder euch nicht mehr erinnert). Weil „Grindelwalds Verbrechen“ ein reines Sequel zu seinem Vorgänger ist. Alles wichtige, um in die Story zu finden, wird in „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ erzählt. Wenn ihr diesen Film also nicht gesehen habt, empfehle ich dies nachzuholen, bevor ihr euch „Grindelwalds Verbrechen“ anseht.
Und welches sind diese Verbrechen?
Ich bin nicht sicher, ob der Titel „Phantastische Tierwesen 2 – Grindelwalds Verbrechen“ passt. Und das aus mehr als einem Grund.
Grund 1: die Tierwesen
Wie im ersten Teil sind die Tierwesen eigentlich nur ein Mittel zum Zweck, die Menschen ins Kino zu locken. Sie haben sogar einen noch kleineren Anteil an der Story als im ersten Film. Sie in den Titel zu setzen ergibt eigentlich keinen Sinn außer für das Marketing und ist im Prinzip völlig unnötig. Da es in der Geschichte um Gellert Grindelwald und seine Machenschaften zur Erringung der Weltherrschaft geht, wäre der Grindelwald-Teil im Titel vollkommen ausreichend. „Grindelwalds Verbrechen“ – das sagt alles.
Ich gebe zu, dass die Harry-Potter-Serie einen Vorteil besaß: Die Bücher und Filme hatten Harry Potter, den Auserwählten der Serien einen Namen zu geben. Den „Phantastischen Tierwesen“ fehlt eine solche Person und niemand will einen Film über einen Bösewicht sehen, der keinen heroischen Gegenpart im Titel hat. Newt Scamander ist als Person zu unbekannt (wie nebenbei bemerkt auch Potter am Anfang) und als fiktiver Autor der Enzyklopädie über magische Wesen zu bekannt. Albus Dumbledore wäre auf der anderen Seite viel zu bekannt. Eine Dumbledore-Reihe? Auf keinen Fall! Das wäre zu offensichtlich das Melken der Kuh, bis sie keine Milch mehr gibt.
Wiederum: Warum nennt man die Reihe nicht einfach „Die Grindelwald Chroniken“? Oder vielleicht „Credence Barebone und…“? Niemand kannte Harry Potter, bis Frau Rowling über ihn schrieb. Die Vorgeschichte ist ganz offensichtlich nicht nur die Newt Scamanders und Gellert Grindelwalds. Es ist auch die Geschichte Credence Barbones, seiner Herkunft und was auch immer aus ihm werden wird. Und die Titel stünden stärker im Erbe der Potter-Geschichten.
Grund 2: die Verbrechen
Es sind also „Grindelwalds Verbrechen“. Da man von diesem mächtigen Schwarzmagier schon hörte, ist dieser Titel tatsächlich verlockend. Nachdem ich den Film gesehen hatte, fragte ich mich aber: Welche Verbrechen?
Es gab einige gewaltsame Tode, das ist richtig. Aber Grindelwald hat mit seinen Verbrechen noch nicht einmal angefangen. Er greift nach der Weltherrschaft, behaupt, es sei zum Wohle der ganzen Welt. Als Seher zeigte er seinen Anhängern, was passieren würde, wenn er nicht an die Macht käme. Was in den 1940ern tatsächlich passierte. Grindelwald zeigte sich als gefährlicher und ambitionierter Mann. Aber die Verbrechen? Waren nicht da. Die ganze Geschichte beginnt erst. Der bessere Titel wäre vielleicht „Grindelwalds Aufstieg“, denn das ist es, was die Geschichte erzählt. Waren die Fronten in Harry Potter von Anfang an abgesteckt, geschieht dies in „Grindelwalds Verbrechen“ gerade erst. Alles, was wir am Anfang des Filmes wissen, ist dass Grindelwald der Böse ist. Er sammelt seine Armeen noch. Die Menschen wählen noch ihre Seiten. Grindelwalds wahre Verbrechen, so glaube ich, kommen erst noch.
Enthüllungen und das Brechen mit dem Kanon
Nach dem ersten „Phantastische Tierwesen“-Film wissen wir nicht allzu viel. Wir wissen Dinge, die für das Verständnis von „Grindelwalds Verbrechen“ wichtig sind, aber nicht wirklich viel.
Selbst zu Beginn von „Grindelwalds Verbrechen“ wissen wir nicht allzu viel. Wir erfahren, dass es Newt Scamander wegen der Vorkommnisse in New York verboten ist, Groß Britannien zu verlassen. Wir erfahren, dass Albus Dumbledore Grindelwalds Feind ist, ihn aber nicht bekämpfen kann, scheinbar weil er von höherer Stelle beobachtet wird.
Aber es gibt viel, das enthüllt wird und viele der Enthüllungen sind mit dem Mysterium um Credence Barebone verknüpft.
Es beginnt mit Leta LeStrange, der Verlobten von Newts Bruder Theseus Scamander. Im Laufe der Geschichte wird „enthüllt“, dass Credence möglicherweise Letas totgeglaubter Bruder ist. Es geht mit Nagini weiter, scheinbar Credence‘ Love Interest. Und ja, es ist dieselbe Nagini, die später in der Gestalt einer Schlange an Voldemorts Seite zu sehen ist. Das könnte ein Hinweis auf Credence Barebones wirkliche Herkunft sein.
Es wird enthüllt, was alle schon wissen: Albus Dumbledore ist schwul. Bewundernswerterweise stellt das für die Welt der Hexen und Zauberer kein Problem dar.
Am Ende wird auch Credence Barebones wahre Herkunft enthüllt und diese Enthüllung empfand ich als etwas problematisch. Nicht Mr. Barebones Herkunft sondern die Enthüllung selbst.
Nein, ich verrate nicht, wer Credence Barebone wirklich ist. Wenn ihr das wissen wollt, seht euch den Film an oder fragt die Suchmaschine eurer Wahl. Aber ich denke, die Enthüllung kam zu früh. Es war eine Art „Ich bin dein Vater“-Moment aber es passiert am Anfang der Geschichte. Als Vader Luke sagte, dass Luke sein Sohn sei, war auf dem Höhepunkt der Geschichte in der Mitte der Trilogie. Die phantastischen Tierwesen sind aber als Pentalogie geplant, weshalb ich denke, dass diese Enthüllung besser in Teil 3 oder 4 gepasst hätte.
Aber Frau Rowling könnte uns überraschen und es könnte sich als richtig herausstellen, uns die Wahrheit jetzt schon zu sagen.
Wusstet ihr, woher Dumbledore seinen Phoenix hat? Noch hat er den Vogel nicht, aber der Phoenix hat eine Verbindung zur Familie Dumbledore. Und Dumbledore ist alt, denn er unterrichtet im Jahr 1927 bereits in Hogwarts. Aber das wissen wir schon.
Mit dem Jahr aber kommt der Bruch mit dem Kanon.
Ich bin sicher, dass es schwierig ist, beim Schreiben einer Geschichte alle kleinen Details im Blick zu behalten. Aber ich denke, manche Details sollte man im Kopf behalten oder noch einmal recherchieren. Trotzdem unterrichtete Minerva McGonagall bereits im Jahr 1927 in Hogwarts. Frau Rowling selbst enthüllte 2000 in einem Interview McGonagalls Geburtsjahr: Minerva wurde 1919 geboren. Ich persönlich ziehe in Zweifel, dass eine 8jährige unterrichtet, wenn das Aufnahmealter für Schüler 11 Jahre ist.
Mit diesem Bruch im Kopf könnte man eine Idee bekommen, wer Credence ist. Besonders mit seiner Beziehung zu Nagini. Etwas, mit dem man hätte spielen können, bevor man dem Zuschauer die Wahrheit über Credence sagt. Wenn man Minerva McGonagall bereits 1927 unterrichten lässt (und sie älter macht als bisher angenommen), könnte das der Schlüssel dafür sein, auch jemanden anders bereits in dieser Zeit leben zu lassen.
Andererseits wurde die Lehrerin von Dumbledore nur als „Mrs. McGonagall“ bezeichnet. Bei IMDB wird sie zwar als Minerva aufgeführt aber im Filmkontext könnte sie genauso gut Minervas Mutter oder Tante sein.
Eine weitere Person, die (für mich) den Kanon zu brechen schien, war Nicolas Flamel. Ich gebe zu, dass wir nichts über Flamel wissen außer dass er den Stein der Weisen herstellte. Mit genau diesem Wissen war er für mich aber immer ein Alchemist (wie der wahre Nicolas Flamel), kein Zauberer. Dennoch wird er als recht mächtiger (wenn auch etwas eingerosteter) Zauber gezeigt. Doch warum nicht? Wir wissen bisher nicht viel über Nicolas Flamel.
Wie ist der Film nun überhaupt?
Ich erwähnte am Anfang die Welle der Prequels, Sequels, Prequel-Sequels, Reboots und Spinoffs, die die Kinos überflutet. „Grindelwalds Verbrechen“ ist keine Ausnahme. Und wie die meisten Spinoffpresequels (das ist kein richtiges Wort, oder?) hat es dieselben Probleme.
„Grindelwalds Verbrechen“ ist nicht mehr und nicht weniger als modernes Kino. Ich habe schon schlechteres gesehen, das gebe ich zu. Aber die Potter-Filme hatten eine dichtere Story (und selbst hier blieb gegenüber den Büchern einiges auf der Strecke, aber das ist normal).
Wie ich sagte, wurde zu diesem Zeitpunkt ein bisschen zu viel enthüllt, kann aber genauso gut in meiner Meinung widerlegt werden. Dann wiederum erzählte die Geschichte nicht allzu viel über die Personen. Wer ist dieser Gellert Grindelwald außer dem Bösewicht und Dumbledores früherem Love Interest? Wer ist Leta LeStrange außer einer Verwandten von Bellatrix LeStranges Ehemann (Bellatrix war eine geborene Black, wie wir seit dem „Orden des Phoenix“ wissen)? Was für eine Beziehung genau hatte Dumbledore zu Grindelwald?
Auch die Magie selbst kam etwas kurz. Ein paar tödliche Flüche hier, die Enthüllung von ein paar Vestigia (ja, der Zauberspruch enthielt tatsächlich das Wort „Vestigia“, das auch Ben Aaronovitch für die Überreste von Magie verwendet) da und ein ziemlich kurzer Endkampf.
Tatsächlich war das Fehlen der Magie selbst nicht das Problem. Es hätte einfach nur die Geschichte von Grindelwalds Aufstieg und den Nachforschungen über seine Taten sein können. Am Ende hätte der Bösewicht einfach so entkommen können. Aber springt die Story von einem Platz zu nächsten um dem Zuschauer ein optisches Spektakel zu geben. Weniger Spektakel und mehr Entwicklung der Charaktere hätten gut getan. Das Spektakel hätte für das grandiose Spektakel der Pentalogie aufgehoben werden können.
Trotzdem würde ich nicht sagen, man sollte den Film nicht sehen. Die Fans von Frau Rowling würden ohnehin nicht auf mich hören und der Film war nicht wirklich schlecht. Ihr solltet nur keine zu großen Erwartungen haben. Nehmt euch ein großes Getränk und einen Eimer Popcorn und alles ist gut.
Und wie gesagt könnten uns die nächsten Filme überraschen. Wo die Potterfilme ein bisschen unabhängig voneinander waren (unabhängig genug jedenfalls, dass man den dritte Teil gucken konnte auch wenn man den zweiten noch nicht gesehen hatte), ist es sehr wahrscheinlich, dass wir das Wissen aus „Grindelwalds Verbrechen“ in den nächsten drei Filmen noch brauchen werden.
Und wenn man den Film doch im Kino verpasst hat, ist das nicht schlimm. Die DVD und BluRay gibt es ab April 2019. Es ist keine so lange Wartezeit.
Story: | (3,5 / 5) |
das Visuelle: | (4,0 / 5) |
Popcornfaktor: | (3,8 / 5) |
Durchschnitt: | (3,8 / 5) |